Arches
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           Im Wilden Westen
  Unterwegs in California, Nevada, Utah und Arizona
Eines gleich vorweg: Diese Tour im Sommer 92, die Erfüllung eines Kindheitstraumes, war der absolute Höhepunkt aller bisherigen Unternehmungen und Abenteuer meiner Laufbahn - und das, obwohl eine Afrika-Reise mit erfolgreicher Kilimanjaro-Besteigung mit ihren frischen Eindrücken gerade erst hinter mir lag.

Aber der Reihe nach. Mit Freundin Grit sitzen wir in der Boeing 747, und beim gleichmäßigen Geräusch der Triebwerke ist Muße für die unterschiedlichsten Gedanken. Mir fallen Kalenderbilder aus "Die Berge rufen" ein, wo Aufnahmen aus den USA und Kanada derselben Autoren zeigten, daß den Rufen in bestimmte Regionen eben nur ganz Auserwählte folgen konnten. Und nun düsen wir wie selbstverständlich unerreichbar geglaubten Traumzielen entgegen. Etwas seltsam berührt mich der Gedanke, daß unter uns in Grönland, während über die Bordleinwand eine amerikanische Komödie flimmert, vielleicht gerade Eskimos in ihrem harten Kampf ums Dasein einem Eisbären hinterherjagen. Ich denke mir so, man müßte halt noch viel mehr Zeit und Muße (und Geld) haben, um anders reisen und sich auch unterwegs alles ansehen zu können. Wir hatten uns gut vorbereitet, theoretisch und auch sportlich, hatten z. B. am Wochenende vorher noch eine imposante Klettertour in den Alpen mit Große Bischofsmütze - Südwand V (hat durch einen gewaltigen Felssturz inzwischen das Zeitliche gesegnet) gemacht, hatten die letzten Pfennige zusammengekratzt, um einen Monat lang die angeblich unbegrenzten Möglichkeiten im Land hinter dem großen Teich kennenzulernen. Flug und Mietauto hatten wir schon von München aus festgemacht.

Los Angeles. Recht unkompliziert verliefen die Einreiseformalitäten. Ein Shuttle-Bus brachte uns zum Autoverleih, wo man uns verwundert wie Assis ansah, weil wir zum Hinterlegen der 300 $ Kaution keine Kreditkarte, sondern schnödes Bargeld verwenden mußten (zum Erlangen einer Kreditkarte hätte ich ja zu Hause 5000 DM auf meinem Konto haben müssen). Da es bald dunkel wurde, mußten wir uns recht schnell mit unserem Geo-Prizm und seiner Automatik-Schaltung vertrautmachen. Mit Ach und Krach fanden wir dann im Dunklen an der Küstenstraße Nr. 1, die von LA nach San Francisco führt, in den Bergen über Malibu ein Plätzchen zum Übernachten im Auto.

Unser Plan sah vor, zunächst entlang des Pazifik bis San Francisco zu fahren, dann mit einer weiten Schlaufe ins Landesinnere möglichst viele Landschaftsformen zu erleben, um schließlich wieder in LA unsere Rundreise durch die 4 Bundesstaaten Californien, Nevada, Utah und Arizona zu beenden. Namen wie die National Parks oder Monuments Yosemite, Death Valley, Zion, Bryce, Arches, Canyonlands, Bridges, Monument Valley, Grand Canyon und Joshua Tree hatten uns schon zu Hause in Euphorie versetzt. Die Wirklichkeit übertraf noch die Erwartungen. Es ist unmöglich, auch nur annähernd all die Eindrücke in diesem Rahmen zu beschreiben, allein meine nüchternen Fahrtenbuchaufzeichnungen umfassen 11 A4- Schreibmaschinenseiten. Obwohl es über jedes der Gebiete und die Städte San Francisco, Las Vegas oder auch Disneyland eine Menge zu erzählen gäbe, muß ich mich auf ein paar Höhepunkte beschränken. Bei der Qual der Wahl lasse ich mich am besten vom Standpunkt des Kletterers leiten.

Yosemite. Etwas Mystisches hatten die ersten Nachrichten an sich, die man vor Jahren von hier hörte, zumal keiner sicher wußte, wie der Name überhaupt richtig gesprochen wird (dschosémití). 1000m hohe Granitwände am El Capitan, wo Leute schon beim tagelangen Klettern verdurstet sein sollen, wo ein Rückzug ab bestimmter Wandhöhe unmöglich wird, wo die einheimischen Cracks sich mit der Droge "Magic mushrooms" zu Höchstleistungen gedopt haben sollen. Die Neugier auf die Wirklichkeit und die Erwartungen waren entsprechend riesengroß - und wurden nicht enttäuscht, im Gegenteil. Wenn man vom Super-Aussichtspunkt Glacier Point am Abend über diese wilde, weite Landschaft mit ihren Wasserfällen und riesigen granitenen Felsdomen blickt, wird einem das Herz weit, läßt Andacht alle unnötigen Worte verstummen. Für absolute Spitzenkletterer ist das eigentliche Yosemite Valley ein Eldorado, während der Normalverbraucher diesem überlaufensten Teil wohl nach einer Besichtigung bald den Rücken kehren und sich dem lieblicheren, aber nicht weniger imposanten High Yosemite (im Kletterführer Tuolumne Meadows genannt) mit seinem angenehmen Klima zuwenden wird. Hier allein könnte man einen ganzen Urlaub verbringen! Auf dem Weg nach Tuolumne Meadows kann man so ganz nebenbei noch gigantische Mammutbäume (Giant Sequoias) besichtigen, sogar mit dem Auto durch einen hindurchfahren. Touren ins Hinterland des High Yosemite sollen d a s Trecking-Abenteuer sein, bei dem man vor allem aufpassen muß, daß einem die Bären nicht den Proviant wegfressen (auf jedem normalen Campingplatz gibt es zu diesem Zweck festzementierte Stahlkisten, aber auf Tour zieht man die Vorräte an einem dünnen Seil, das man über einen Ast wirft, hoch). Auch in Tuolumne Meadows überall die kuppelförmigen Dome, die in erster Linie Reibungs- und Rißkletterei an sauberem, rauhen Granit bieten. Wehe dem, der direkt aus Südfrankreich mit 2m - Hakenabständen hierherkommt! Hier kann es schon mal vorkommen, daß man ganz locker eine Seillänge ohne Zwischensicherung aussteigen muß.

Unsere Eingehtour sollte das bekannte Great White Book am Stately Pleasure Dome sein, eine herrliche Hangel-Riß-Reibungstour, Schwierigkeit in der amerikanischen Skala 5.6 (sächsisch ca. VI). Leider waren schon 2 Seilschaften dran. So machten wir nebenan eine Tour, die sich als ebenfalls sehr stark mit vielen interessanten Kletterstellen erwies: Hermaphrodite Flake 5.4, Fortsetzung über Eunuch 5.7 (ca. VIIa), direkt über dem herrlichen Blau des Tenaya Lake. Am nächsten Tag sollte es einer der beiden berühmten Water Cracks am Lembert Dome sein. Hier handelt es sich um 2 tiefe, grifflose Wasserrinnen im Granit, die linke leichter (5.7), aber schlecht gesichert, die rechte schwerer(5.8), aber etwas besser gesichert. Hier waren Reibungskünste gefragt. Es war eine ganz merkwürdige Kletterei. Zunächst läuft man mit dem Seil in der Hand den Fuß des Domes hinauf. Allmählich wird es steiler, bis man auf einmal merkt, daß Sichern ganz gut wäre. Aber wie? Man steht auf einer rundum glatten Fläche. Wir steigen ohne richtige Sicherung weiter. Ein Sturz würde zu einer schmerzhaften, gemeinsamen Riesenrutschpartie führen, denn halten könnte man sich gegenseitig auf dem steilen Fels sicher nicht. Nach 20 m endlich die Möglichkeit für eine Schlinge hinter einer Platte! Aber nun wird es noch schwerer, denn stellenweise ist der Granit wie poliert. Nach weiteren 20 m und einem Zwischenhaken ist endlich ein Standplatz erreicht. Hier ist die letzte Möglichkeit der Entscheidung zwischen beiden Rinnen. Wir wählen den schweren Right Water Crack (ca. VIIb) wegen 3 lockender Haken, aber in halber Höhe wird es mir zu schwer, und ich kneife zum linken hinüber. Grit ist von der Kletterei begeistert und lässt es sich nicht nehmen, anschließend auch noch den rechten vorzusteigen.

Nach den 5 Tagen in Yosemite sollten die Needles (8 Granitzinnen und 2 Dome) in den Bergen der Sierra bei Bakersfield unser nächstes Ziel sein. Im Gegensatz zu Yosemite ist man hier sehr einsam und in urwüchsiger Landschaft. Der Zeltplatz "Peppermint Campground" wurde vom Forst ganz romantisch mitten im Mammutbaum-Wald angelegt, kostet gar nichts, hat aber kein Trinkwasser. Von dem sollte man sowieso immer ein paar Gallonen im Auto haben (gibt es in jedem Supermarkt). Als Besonderheit gibt es hier bei einigen Kletterwegen Passagen, wo auf der sonst glatten Wand verstreute faustgroße Knubbel das Emporsteigen ungemein erleichtern. Ein herrlicher Handriß, wie in die riesige Platte etwas schräg nach links eingesägt, hatte es mir sofort angetan: The Tree Route (5.6). Ohne die bewußten Knubbel wäre er sicher etwas extrem, aber so kann man aller paar Meter ganz bequem stehen, den Weiterweg studieren und hier und da eine gute Sicherung unterbringen. Der Klemmer ist einfach ein Genuß! Nicht ganz so angenehm ist die Hitze, die sich trotz der relativ großen Höhe bemerkbar macht. Am besten, man geht gleich am frühen Morgen los.

Die große Hitze war es auch, die weitere Kletteraktivitäten in anderen Gebieten ausschloß. Obwohl z. B. in Zion, Arches, Red Rocks und anderen Gebieten phantastische Klettermöglichkeiten in bestem Sandstein zu betrachten waren - zum Klettern war es einfach nicht die richtige Jahreszeit. Schon kurze Spaziergänge zu einem Einstieg waren so schweißtreibend, daß man nur eine Sehnsucht kannte: Schnell zurück zum Auto mit seiner Klimaanlage und den Getränken! Nur in Joshua Tree konnten wir wegen der Kürze der Wege (ähnlich Zittau, aber Granit) trotz der Hitze früh oder abends noch etwas klettern oder bouldern.

Eine touristische Aktion verdient noch, erwähnt zu werden, für die wir extra Bergschuhe und Teleskopstöcke mitgenommen hatten: Wir hatten uns vorgenommen, als eine Art Härtetest den Grand Canyon an einem Tag zu begehen. In den Informationsmaterialien und Reiseführern wird von dieser Tour in den Sommermonaten generell abgeraten, weil am Grund bis 50 °C im Schatten (den es aber nicht gibt) die Umgebung zu einem Backofen werden lassen. Wir wollten vom Südrand den South Kaibab Trail absteigen (10,5 km, 1500 Höhenmeter), uns am kakaofarbenen Fluß etwas erfrischen und den Bright Angel Trail (15 km) wieder aufsteigen. Da man oben noch ein ganzes Stück zum Auto zurücklaufen muß, kommt man insgesamt auf über 30 km bei z. T. härtesten Bedingungen, die uns an den Tagen danach einen Muskelkater und insgesamt die Überzeugung, die mit Abstand anstrengendste Tour der gesamten Laufbahn geschafft zu haben, brachten.

Wie schon gesagt, man könnte seitenlang erzählen, von der rührenden Hilfe einer Familie in einer Kleinstadt Arizonas bei einem Autoschaden, von einsamen Zeltnächten mit schaurigem Coyotengeheul, von einer Wanderung über Sanddünen im Todestal, vom Lichtermeer des nächtlichen Las Vegas, von nächtlichen Ranger-Kontrollen bei Autoübernachtungen, von Tierbeobachtungen am Pazifik, vom unwiderstehlichen Charme der Stadt San Francisco ... Erwähnt werden sollte aber unbedingt noch die wohltuende Reiseatmosphäre. Unmäßige Geldschneiderei an den Touristenzentren scheint den Amerikanern fremd zu sein. Saubere Zeltplätze, meist mit geringen Preisen von ca. 6-7 $ pro Einheit (also insgesamt für Stellplatz für 1-2 Zelte, Feuerstelle, Tisch, bis 6 Personen, Auto und allerhand Platz ringsherum), angenehme, ruhige Fahrweise auf den Straßen außerhalb der Großstädte, sehr freundliches Entgegenkommen der Menschen und niedrige Preise in Geschäften und Gaststätten und erst recht an den Tankstellen (Benzin ca. 50 Pf.) machen die USA zu einem günstigen und angenehmen Reiseland für uns. Nur eines ist unumgänglich: Englisch-Kenntnisse. In der ganzen Zeit habe ich nur 2 Amerikaner getroffen, die ein wenig deutsch sprachen. 6790 km haben wir zurückgelegt, und schließlich war es der erste und bisher einzige Urlaub, bei dem ich das Ende bedauert habe. Sonst fahre ich gern in die Fremde, komme aber nach einer Weile auch gern wieder nach Hause zurück. Aber diesmal hätten wir glatt noch 4 Wochen bleiben können!
Also, bis bald in Amerika!

Diesen Sommer '99 geht es erneut auf USA-Tour. Nur werden wir den Bogen von San Francisco über Yosemite, Grand Canyon (diesmal Nordseite), Arches,
Devils Tower (unser erklärtes Hauptziel) und dann weiter in Richtung Norden ins Gebiet der Rocky Mountains schlagen, dann weiter in Richtung Seattle und in Küstennähe zurück nach San Francisco.